22Nov.2024

20:00

Schwere Reiter

Dachauer Str. 114a, 80636 München

Ann Cleare
unable to create an offscreen world (2010)
(a) prerecorded sounds
(b) Piccolo und Schlagzeug
(c) Piccolo, Schlagzeug, Bassklarinette, Violine und Violoncello 

Nina Deuse
Toccata I (2012) für Klavier

Leopold Hurt
Fred Ott’s Sneeze (2011) für Klarinette/Bassklarinette, Violine, Violoncello, Klavier, Schlagzeug und Elektronik

PAUSE

Iris ter Schiphorst
Eden cinema (1995) für präpariertes Klavier und Sampler

Francesca Verunelli
Cinemaolio (2014/2015) für Flöte, Klarinette, Klavier, Violine, Viola und Violoncello

der/gelbe/klang
Eric Lamb, Flöte
Oliver Klenk, Klarinette
Mathias Lachenmayr, Schlagzeug
Marco Riccelli, Klavier 
Nina Takai, Violine
Louis Vandory, Viola
Katerina Giannitsioti, Violoncello
Mathis Nitschke, Klangregie
Dirigent: Amando Merino

Fred Ott niest

Ein Mann führt eine Prise Schnupftabak zur Nase – und niest zweimal herzhaft! Warum Thomas Edison im Januar 1894 gerade diese Szene wählte, um seinen neu entwickelten »Kinetographen« zu präsentieren, einen Apparat, mit dem man kurze Sequenzen bewegter Bilder aufnehmen konnte, um sie später auf einem »Kinetoskopen« abzuspielen? Man weiß es nicht. Sein Assistent Fred Ott, einziger Darsteller im 9 Sekunden dauernden Streifen Fred Ott’s Sneeze, ging damit jedenfalls in die Filmgeschichte ein. Edisons Kinetoskop hatte allerdings den Nachteil, dass immer nur ein einzelner Zuschauer hineinsehen konnte. Da bald Verfahren entwickelt wurden, Filme auf eine Leinwand zu projizieren, verschwand seine Erfindung in der Versenkung. Aber das Kino war geboren und mit ihm eine faszinierende Welt, die wir zum Hauptmotiv dieses Konzertprogramms machen.

Ann Cleare merkt es gleich an: unable to create an offscreen world, ohne Bildschirm (oder Leinwand) geht es nicht. In Nina Deuses Toccata I versteckt sich der Jazz-Standard »Caravan«, ein verrücktes, leicht schräges Thema, das Jazzfan Woody Allen gleich mehrmals in seinen Filmen verarbeitete. Leopold Hurt knüpft unmittelbar an Fred Ott’s Sneeze an: »Mich reizte die Tatsache, dass eine solch banale Handlung Edison genug Anlass gab, die neue Filmtechnik erstmals der Öffentlichkeit zu präsentieren und mit einem Copyright zu versehen. Als stummer Urknall der Filmgeschichte sowie als Titel für ein Instrumentalstück ist Fred Otts Niesen in zweierlei Hinsicht absurd.« Iris ter Schiphorst greift in Eden cinema ein Motiv aus dem gleichnamigen Theaterstück von Marguerite Duras auf, eine Kindheitserinnerung der Autorin und Filmemacherin: Im Vietnam der 1920er-Jahre hatte sie im »Eden cinema« ihrer Mutter gelauscht, die als Kinopianistin arbeitete. Francesca Verunelli schließlich lässt in Cinemaolio (»Ölkino«) eine Jahrmarktsbude lebendig werden, die mitsamt ihren mechanischen Attraktionen einem Kino weichen musste; der beißende Geruch von Öl liegt noch in der Luft.

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